Perspektivwechsel
Unter Berufung auf die Beständigkeit und die Intensität der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit empfiehlt Roland RIES, „im Zuge der Zusammenführung zum Grand Est die undurchschaubare Vielzahl grenzüberschreitender Gremien einer Prüfung zu unterziehen. Angesichts der Größe und Vielfalt dieser neuen Region müssen gemeinsam jene Stärken ermitteln werden, die ihre Alleinstellungsmerkmale sind und gleichzeitig den Alltag aller Bürger vereinfachen. Mehr noch, diese neue Größenordnung stellt eine fantastische Chance dar, die Region als das Labor des Europa von morgen zu positionieren“.
Robert HERRMANN erinnert daran, dass Baden-Württemberg bereits vor rund sechzig Jahren einen Wandel vollzogen hat, der mit der soeben im Zuge der Gebietsreform erfolgten Zusammenlegung von Elsass, Champagne-Ardenne und Lothringen vergleichbar ist. Er fordert zu einem Perspektivwechsel auf: Durch die Zusammenführung von Regionen, die ihre wechselvolle Geschichte ebenso charakterisiert wie ihre vielen Talente, ist der Grand Est heute die europäischste Region Frankreichs mit den meisten, nämlich vier Nachbarländern, vier bedeutenden europäischen Institutionen in einem Umkreis von nur 150 Kilometern, 45 % französischen Pendlern und fast dreißig institutionellen grenzübergreifenden Kooperationen. Gemeinsam mit den Nachbarregionen, die die gleichen Vorzüge aufweisen, ist der neue grenzüberschreitende Großraum das wahre Herz der Europäischen Union. Er wird sich für eine Neuausrichtung Europas stark machen können, die den heutigen Erwartungen der Menschen entspricht – vorausgesetzt, alle ziehen an einem Strang!
Um einen solchen Perspektivwechsel zu vollziehen, müssen die Beteiligten aufeinander zugehen und sich für die Kultur und die Identität der anderen interessieren. Eine realistische Zukunftspolitik muss beispielsweise die Vernetzung der Ballungsräume mit ihren Clustern, Universitäten und kulturellen Netzwerken auf Ebene des Grand Est, aber auch auf Ebene der neuen grenzüberschreitenden europäischen Region anstreben. Würde ein Pendant zum Atlantischen Bogen mit Unterstützung der französischen Seite nicht die Koordination mit den Nachbarregionen erleichtern?
In den verschiedenen Beiträgen wird die Zusammenarbeit in ihren heute praktizierten Formen beleuchtet und hinterfragt. Aus den Erfahrungen der Praktiker können die grenzüberschreitenden Akteure künftige Weichenstellungen und Lösungsansätze ableiten. Die vorgestellten Modelle und der Austausch über die Entwicklung sollen in die Überlegungen einfließen, die nötig sind, um den Schritt von den bisherigen nahen Kooperationsformen zur Größenordnung des Grand Est vollziehen zu können.